„Die Hürden, zum Arzt oder Gesundheitsamt zu gehen, sind enorm.“
Es gibt sie häufiger als wir denken, aber kaum jemand spricht darüber – die Rede ist von Geschlechtskrankheiten. Da das sie umgebende Tabu so groß ist, wird selbst der Besuch beim Arzt zu einer für viele kaum überwindbaren Hürde. Hubert Mooren, Gründer und Geschäftsführer der OpenLab B.V., hat daher mit www.testalize.me ein Verfahren entwickelt, mittels dem sich Menschen zuhause schnell, einfach und vor allem anonym auf Geschlechtskrankheiten testen können.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem sich Menschen zuhause und anonym auf Geschlechtskrankheiten testen können?
Hubert Mooren: Ich habe einen Hintergrund in Betriebswirtschaft und hatte verschiedene Webshops. Mein Vater kommt als Biochemiker aus der Diagnostik. Daher kam die Idee, einen Webshop zu eröffnen, in dem man eine Diagnose bestellen kann. Zuerst war ich mit der Diagnostik im Allgemeinen beschäftigt, wo ich möglichst viele Krankheiten bei Menschen erkennen wollte. Aber die Nachfrage nach STI-Tests (STI = Sexually transmitted infections, zu Deutsch: Sexuell übertragbare Erkrankungen) erwies sich als hoch. Und so testen wir in den Niederlanden etwa 30.000 Menschen pro Jahr.
Es scheint so, als spielen Geschlechtskrankheiten in der Wahrnehmung der meisten Menschen keine Rolle. Warum ist das so?
Eine von uns selbst durchgeführte Studie zeigt, dass junge Menschen zwischen 18-35 Jahren zunehmend ungeschützten Sex haben. 25 Prozent der Befragten benutzt kaum und etwa 12 Prozent benutzen nie ein Kondom. Wenn man ungeschützten Sex hat, läuft man Gefahr, eine Geschlechtskrankheit zu bekommen oder schwanger zu werden. Leider liegt der Schwerpunkt immer auf dem Risiko einer Schwangerschaft und nicht auf einer Geschlechtskrankheit. Sexuell übertragbare Infektionen und die damit verbundenen gefährlichen Risiken wie Unfruchtbarkeit werden oft leichtsinnig und naiv ignoriert.
Warum findet relativ wenig Aufklärung zum Thema Geschlechtskrankheiten statt?
Es gibt zum Beispiel in Schulen Informationen über das Risiko von unsicherem Sex. Dies bleibt jedoch ein Tabuthema, über das junge Menschen lieber nicht sprechen möchten.
Gibt es Statistiken, die aufzeigen, wie häufig Geschlechtskrankheiten auftreten bzw. welche Geschlechtskrankheiten sind am geläufigsten?
Weltweit wurden mehr als 30 verschiedene STIs entdeckt. Viele davon sind auch in Europa zu finden, wie zum Beispiel die häufigsten STIs: Chlamydien und Gonorrhö (oder Tripper). Aber auch die anderen Geschlechtskrankheiten wie Trichomonaden, Syphilis und Herpes sind häufig. Der Berufsverband der Frauenärzte schätzt, dass in Deutschland jedes Jahr 300.000 neue Chlamydieninfektionen auftreten. Leider sind in Deutschland keine eindeutigen Daten wie in den Niederlanden verfügbar, da es in Deutschland keine Meldepflicht gibt. Das heißt, niemand muss STIs an die Gesundheitsämter melden, so dass die Zahl der Krankheitsfälle unbekannt bleibt.
Es stellt sich natürlich angesichts Ihres Testverfahrens sofort die Frage, was dagegen spricht, zum Arzt zu gehen?
Nach einer Nacht mit ungeschützten Sex ist nichts so einfach, wie sich zu Hause anonym auf Chlamydien und Gonorrhö zu testen. Es gibt ein großes Tabu bei diesem Thema, vor allem, wenn es darum geht, es ausführlich mit dem Arzt zu besprechen. Jugendliche schämen sich und wollen nicht auf die Frage antworten, wie viele Bettpartner sie schon gehabt haben. Die Hürden, zum Arzt oder Gesundheitsamt zu gehen, sind enorm. Deshalb kommen diese Menschen oft zu uns, um sich schnell, zuverlässig und vor allem anonym testen zu lassen.
Es geht um Krankheiten, daher die Frage, wie es in eurem Team um das notwendige Fachwissen bestellt ist? Seid ihr selber Mediziner bzw. Ärzte?
Da wir uns mit medizinischen Tests beschäftigen, ist Fachwissen natürlich erforderlich. Neben dem Wissen meines Vaters als Biochemiker haben wir eine gute Zusammenarbeit mit unserem Labor. Nach der Untersuchung zu Hause werden die Proben dorthin geschickt und von Spezialisten wie einem Mikrobiologen analysiert. Wir haben auch einen medizinischen Beirat; ein Arzt und ein Mikrobiologe unterstützen, beraten und kontrollieren uns.
Wie genau läuft das Verfahren auf testalize.me ab? Wie müssen wir uns den Ablauf praktisch vorstellen?
Nach einer Nacht mit ungeschützten Sex wollen die Benutzer sicher sein, dass sie keine Geschlechtskrankheit haben. Der Benutzer nutzt unsere Online-Beratung auf der Website, um herauszufinden, welche Art von Test erforderlich ist. Dann kauft der Benutzer den Test, erhält den Test in einer diskreten Verpackung zu Hause und testet sich selbst. Die Probe wird an unser zertifiziertes Labor zurückgeschickt. Nach 72 Stunden kann der Benutzer das Ergebnis mit einem Code online anfordern. Im Falle eines positiven Ergebnisses bringt der Nutzer den Bericht unseres Mikrobiologen zum Arzt und wird dort anhand unseres Ergebnisses behandelt.
Die Benutzer bleiben bei uns völlig anonym. Wir arbeiten nicht wie Ärzte mit personenbezogenen Daten, sondern mit einmaligen Codes. Der Benutzer erhält diesen Code mit seinem Test und muss ihn verwenden, um das Ergebnis abzurufen. Folglich wissen unsere Spezialisten im Labor nicht, wen sie testen, denn sie haben nur die Codes.
Warum müssen die Tests in ein Labor geschickt werden? Wie sieht es mit der Option aus, dass der Nutzer des Tests sein Ergebnis direkt sofort bekommt? Ist das medizinisch möglich?
Tatsächlich gibt es bereits HIV- und Chlamydien-Selbsttests ohne Laboranalyse, bei denen die Ergebnisse sofort sichtbar sind. Ohne eine Laboranalyse können nicht alle Infektionen erkannt werden und zu falschen und unzuverlässigen Ergebnissen führen. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung weist auf diese unzuverlässigen Tests hin.
Wir wollen unserer Zielgruppe – den jungen Menschen – zeigen, dass unsere Online-Tests zuverlässig sind. Wir arbeiten mit der gleichen Art von Tests wie Allgemeinmediziner und Krankenhäuser.
Und was kostet ein derartiger Test?
Unsere Tests kosten 49 Euro. Die häufigsten STIs Chlamydien und Gonorrhö werden getestet.
Wie und wo werden eure Test vermarktet? Welche Vertriebswege werden bedient?
Derzeit verkaufen wir die Tests über unsere eigene Website und über andere Onlineshops in Deutschland, wie z.B. Amazon. Wir hoffen, dass unsere Tests in Zukunft über mehrere (Web-)Geschäfte, Apotheken und Gesundheitsämter angeboten werden, genau wie in den Niederlanden. Auf diese Weise informieren und stimulieren wir Jugendliche über die Möglichkeit, sich anonym auf die gängigen Geschlechtskrankheiten zu testen und das Tabu zu diesem Thema verschwinden zu lassen.