Etsy als Marktplatz für Erotikprodukte

Über 52,000 Treffer ergibt der Suchbegriff „Sex toy“ bei Amazon.com den Suchbegriff „Sex Toy“, bei ebay noch über 22,000. Beide Marktplätze sind dafür bekannt, dass auf ihnen beinahe alles verkauft wird, von der Waschmaschine über Bücher bis hin zu Toilettenpapier. Deutlich kleiner zeigt sich das Angebot auf einer anderen Plattform: Etsy.com. Und das ist durchaus gewollt. Denn das mittlerweile zehn Jahre alte Unternehmen aus New York ist eine Plattform für von Hand hergestellte Artikel, eine Gegenbewegung zur Massenware. Doch auch hier sind werden immerhin noch knapp 4,300 Resultate angezeigt.

 


Dass Etsy mehr ist, als eine Plattform für gelangweilte Hausfrauen, als welche sie bisweilen verspottet wurde, zeigte sich spätestens im Frühjahr des vergangenen Jahres. Damals ging das Unternehmen an die Börse und wurde mit 1,8 Milliarden Dollar bewertet. Etwa 1,4 Millionen Verkäufer und über 50 Millionen Mitglieder, davon knapp 20 Millionen aktive Käufer tummeln sich auf dem Marktplatz (zum Vergleich: Amazon hatte 2014 etwa 270 Millionen Kunden).

Die Geschichte von Rickard Andersson kann hierbei fast schon exemplarisch für die aktiven Verkäufer stehen. Er eröffnete im Sommer 2013 seinen Shop „Silvarus“ auf der Plattform. Sein Produkt: handgefertigte Holzdildos. „Für mich war es eine Möglichkeit potentielle Kunden für das zu erreichen, was damals nur eine Freizeitbeschäftigung war. Etwas, dass zu tun mir Freude bereitete und für das ich nur einige wenige Bestellungen von Leuten hatte, die wussten was ich mache. Ich eröffnete meinen Etsy Store um zu sehen, ob ich eine Chance habe, meine Produkte auf den Markt zu bringen. Ich habe nicht gewusst oder erwartet, dass es so gut laufen würde, wie es dann lief.“

Kinky but Cute Flogger
Die Peitschen von Kinky but Cute präsentieren sich in knalligen Farben

Auch bei Maria und ihrem Shop „Kinky but Cute“ stand das Produkt am Anfang der Entwicklung. Sie weist darauf hin, dass es eine Plattform wie Etsy einfacher zu bedienen sei, als ein eigener Onlineshop: „Ich finde es sehr hilfreich, eine Struktur zu haben, der ich folgen kann sowie die Unterstützung von anderen Verkäufer in den Etsy Foren, da all dies bedeutet, dass ich mehr Zeit damit verbringen kann meine Flogger zu machen.“ Sie verkauft seit Mitte vergangen Jahres handgefertigte Peitschen aus Hanffaser oder Baumwollstoffen. Ihre Produkte stechen schon alleine wegen ihrer knalligen Farben aus dem üblichen Angebot an Peitschen heraus. „Ich denke die Mischung meiner aus Spass, Experiment und guter Handarbeit macht sie für eine Seite wie Etsy perfekt geeignet, da die Kunden hier oft nach einzigartigen und ungewöhnlichen Artikeln suchen.“

Dass Etsy dabei auch neben Bastelarbeiten auch Raum für modernste Fertigungsmethoden bietet, lässt sich an dem Angebot von LeLuv ablesen. Das Unternehmen aus Arizona, USA, bietet mittels 3D Druck gefertigte Dildos an. „Die 3D Produkte werden alle von uns selber entworfen, um sicher zu stellen, dass es sich um sichere und stabile Designs handelt. Die Produkte werden von Hand poliert. So geht jedes Produkt zum Abschluss durch einen eignen Prozess, bis sie glatt wie Glas sind, wie lackierte italienische Möbel, so dass sie eine sichere und nicht poröse Oberfläche besitzen,“ beschreibt Produktionsleiter Elliot Parker den Prozess. Mittlerweile ist sein Unternehmen jedoch seinen Anfängen auf Etsy entwachsen und bietet seine Produkte auch auf anderen Plattformen sowie einer eigenen Website an. Denn dies ist ein Kritikpunkt, den einige Händler haben: Das große Geschäft lässt sich hier nur schwer machen und die Seite kann ihren Ursprung als Plattform für Bastler und Heimwerker, die sich hier etwas dazu verdienen möchten, nicht verleugnen. Denn gerade dieses Alleinstellungsmerkmal ist es, welches sie von anderen Marktplätzen im Internet unterscheidet. Einige der am hitzigsten geführten Debatten in der Etsy-Community – besonders im Zuge des Börsengangs – drehte sich daher in jüngerer Zeit auch darum, wie viel industrielle Fertigung und welcher Grad an Massenware hier überhaupt erlaubt seien sollten, beziehungsweise sich bereits auf die Seite „eingeschlichen“ haben. Inwiefern sich das Unternehmen in Zukunft für solche Produkte öffnen wird, auch um den Erwartungen der Investoren gerecht zu werden, ist offen.

Holzdildos von Silvarus
100% Handarbeit: die Holzdildos von Silvarus

Daher ist Etsy von der geschäftlichen Seite aus auch eher als ein Experimentierfeld und Einstieg in den Markt zu sehen. „Ich denke Etsy und andere ähnliche Plattformen können dazu genutzt werden ein Geschäft zu eröffnen. Jedes Geschäft muss allerdings dieser Position entwachsen um ertragreich genug zu sein, aber als ein Anfang, als ein Test, um zu sehen ob es klappt oder nicht, ist es kein schlechtes System,“ meint hierzu Richard Andersson. Auch Maria hofft, dass sie in naher Zukunft weitere Vertriebswege erschließen kann: „Für mich persönlich war Etsy großartig, um das Terrain zu sondieren und herauszufinden, ob ich ein brauchbares Produkt habe. Die geringen Anfangskosten und Gebühren bedeuten, dass jeder einen Shop eröffnen kann, ob dies nun mit großen Ambitionen oder als ein Hobby nebenbei geschieht und ich finde, dass ist Teil davon, warum Etsy so einen interessanten Produktmix hat.“

Doch bis ein Heimwerker oder ein Unternehmen lukrativ genug ist, um den Sprung hin zu einem eigenen Onlineauftritt mit den damit verbunden Kosten zu wagen, müssen zunächst einmal die Verkäufe stimmen. Da stellt sich also zunächst wie Frage, was der Kunde von den Produkten auf einer Plattform wie Etsy erwartet.

3D Printed Dildos von LeLuv
Die Dildos aus dem 3D Drucker von LeLuv sind mittlerweile auf auch leluv.com erhältlich

„Der Etsy Kunde sucht raffinierte individuelle und einzigartige Produkte, um seinen anspruchsvollen Geschmack zu befriedigen. Um unseren Kunden dies zu bieten, werden wir bald PLA Produkte anbieten, die auch hohe Temperaturen sicher überstehen und sicher in eine Waschmaschine gepackt werden können,“ beschreibt Elliott Parker den Ansatz den LeLuve hierbei verfolgt hat. Auch Maria ist der Ansicht, dass für die Kunden hier die Einzigartigkeit der Artikel eine wichtige Rolle spielt: „ich denke meine Etsy Kunden suchen nach Sex Toys, die zu ihrer Persönlichkeit passen, im Gegensatz zu noch mehr Toys aus Massenproduktion von großen Firmen. Ich versuche ein gutes Preisleistungsverhältnis zu bieten, was meiner Ansicht nach gut aufgenommen wird und die Tatsache, dass meine Flogger auch von Veganern benutzt werden können, kommt auf der Seite gut an.“ Dabei könne der Preis ruhig auch mal über dem auf dem Massenmarkt üblichen liegen meint Richard Andersson, da den Kunden bewusst sei, dass sie hier ein Unikat erwerben: „Wenn es um den Preis geht, habe ich auf jeden Fall den Eindruck, dass die Kunden wissen, dass sie etwas bekommen, was Talent, Zeit und viel Aufwand in der Fertigung erfordert hat und daher ruhig auch etwas teurer sein kann, als ein Produkt aus der Massenfertigung.“ Dennoch gibt auch er allen potentiellen Einsteigern auf Etsy den Rat mit auf den Weg, sich langfristig nicht auf die Plattform zu versteifen: „Man sollte dabei im Kopf behalten, dass es zwar ein Anfang ist und einem viele Bestellungen einbringen kann, aber ich empfehle den Verkäufern früher oder später sich auch außerhalb des Rahmens eines Systems wie dem von Etsy zu betätigen, um einen größeren Kundenstamm zu erreichen. Das mag sich jedoch in Zukunft mit der Entwicklung der Etsy Plattform auch noch ändern.“

Das große Geld lässt sich auf Heimarbeitsplattformen also nur in Ausnahmefällen verdienen und womöglich auch nicht mit den Produkten des Erotikmarktes. Dennoch lohnt es sich, bisweilen ein Blick auf Etsy, DaWanda und ähnliche Seiten allein schon wegen der hier dargebotenen Kreativität und Kunstfertigkeit.

Dieses Interview wurde im eLINE Magazin Ausgabe 02 2016 veröffentlicht. Das eLINE Magazin ist für die Erotikbranche gratis erhältlich. Klicken Sie hier um die gedruckte Ausgabe zu bestellen.