Muss der Erotikmarkt gezähmt werden?

Randolph Heil

Über das Auseinanderbrechen der traditionellen Lieferkette (Hersteller-Großhändler-Einzelhändler) im Erotikmarkt mit all seinen Auswirkungen ist schon viel gesagt worden. Ob diese nun positiv oder negativ sind, hängt sicherlich auch von der Sichtweise des Betrachters ab, aber wer heute auf den Markt blickt, der kann schnell zum Ergebnis kommen, dass die ‚Wildwest-Manier‘ Einzug gehalten hat. Was das heißen soll? Ganz einfach: es gibt keine Grenzen mehr zwischen Produktion, Kauf und Verkauf. Es wird in allen Bereichen gewildert, jeder produziert, jeder verkauft an jeden jeder macht, was er will – ohne Rücksichtnahme.

Die Konkurrenzsituation wird für alle Beteiligten kritischer und der Druck im Markt wächst und wächst. Erschwerend kommt noch die große Zahl der Produkte hinzu, die es zu verkaufen gilt. Dass das dann oft nur noch über den Preis und zu Lasten der Marge geht, von der ja eigentlich alle Beteiligten im Markt leben, ist kein Geheimnis. All das führt dazu, dass Preise in den Keller gehen und Produkte ihren eigentlichen Wert verlieren. Wenn dann noch unterschiedliche Geschäftsmodelle und individuelle Kalkulationen auf eine ohnehin angespannte Lage im Markt treffen, in der um jeden Kunden gekämpft wird, ist das Kind quasi schon in den Brunnen gefallen. Aber wie so oft gibt es Ausnahmen.

Bei unseren Gesprächen mit Einzelhändlern – unerheblich ob stationär oder online – wird immer wieder deutlich, dass es auch anders geht. Kaum ein Händler, der kein Lobgesang auf die Marken anstimmt, die ihm eine sichere Marge bieten und sich schützend vor den Einzelhandel stellen. Kaum ein Händler, der nicht glücklich darüber ist, dass bestimmte Hersteller ihre Marken nicht an schwarze Schafe verkaufen bzw. Argusaugen darauf haben, wer, was, wo und vor allem zu welchen Preis verkauft. Werden sie gewahr, dass etwas nicht in ihrem Sinne läuft, was sich meist im Preisdumping äußert, wird gehandelt. Möglich, dass dieser Händler dann keine Produkte mehr dieser Hersteller beziehen kann. Wer jetzt einwendet, dass sich irgendwo jemand finden wird, der diesen Händler weiterhin versorgt, dem sei gesagt, dass diese Hersteller bzw. Marken genauso die Großhändler bzw. Distributoren, mit denen sie arbeiten, ‚kontrollieren‘ – übrigens auch zu deren eigenem Schutz und vor allem für ihre Margen. Und wer meint, dass ein Händler ruhig auf ein paar starke Marken verzichten kann, weil es ja so viele andere Produkte gibt, die verkauft werden können, der vergisst Faktoren wie Nachfrage, Markenbekanntheit, Vielfalt etc.

Hier wird also von Hersteller nicht nach dem Motto ‚viel hilft viel‘ agiert, sondern so, dass die Wertschöpfungskette bewahrt bleibt. Gemeinsam zum Wohle aller Marktteilnehmer an einem Strang ziehen müsste die Devise lauten und die vielen positiven Einzelbeispiele beweisen, dass (mehr) Kontrolle im Markt keine Utopie sein muss. Natürlich muss das Umfeld dazu passen. Der ‚Wilde Westen‘ muss und kann also gezähmt werden.

Matthias Poehl

Es ist mehr als verständlich, dass jeder Händler für seine Produkte einen möglichst hohen Preis erzielen möchte. Genauso verständlich ist es, dass der Kunde möglichst wenig Geld ausgeben will. Man trifft sich zumeist irgendwo in der Mitte und wenn nicht, dann muss sich der Konsument anderswo nach einem vergleichbaren Produkt oder einem anderen Verkäufer umsehen. Das nennt man Marktwirtschaft.

Ohne jetzt von unsichtbaren Händen, die alles zum Besten regeln und ähnlichem Geschwafel anfangen zu wollen, ist es letztendlich doch so, dass auf dem Markt unterschiedliche Bedürfnisse auf unterschiedliche Angebote treffen. Dabei mögen nicht alle Bedürfnisse befriedigt werden und nicht jedes Angebot findet einen Abnehmer, aber es hat sich noch immer als die bessere Alternative zu festgesetzten Preisen, geregelten Bedingungen und gesteuerten Angeboten erwiesen. Denn wer jetzt gerne den Herstellern einen größeren Einfluss auf die Preisgestaltung des Einzelhandels einräumen würde, kann auch nicht garantieren, wie diese ihre Macht morgen anwenden werden. Gleiches gilt bei Vertriebswegen: wer möchte sich schon gerne einem Zulieferer auf Gedeih und Verderb ausliefern?

Natürlich gibt es auch gute Gründe für Hersteller – besonders im hochpreisigen Bereich – mit Argusaugen auf den Preis ihrer Artikel zu achten und jeglichem Preisdumping sofort einen Riegel vorzuschieben. Aber dies durchzusetzen ist kein leichtes Unterfangen und benötigt entsprechenden Aufwand, der sich dann auch im Preis widerspiegelt. Ein für die meisten Erotikprodukte kaum durchführbares Unterfangen.

Hinzu kommt, dass derjenige, der besser wirtschaftet, am Ende auch die Früchte seines Könnens ernten soll. Denn hat sich ein Konsument für ein Produkt entschieden ist der Preis zwar einer der wichtigsten Faktoren bei der Kaufentscheidung, aber bei weitem nicht der einzige. Verkaufsumfeld, Beratung, Service nach dem Kauf, Informationen rund um das Produkt etc. fließen auch mit ein. Selten sind Unternehmen, die sich alleine über den Preis definieren und alle anderen Aspekte vernachlässigen, eine lange Lebensdauer beschieden.

Wo der eine den zu zähmenden Wilden Westen sieht, erkennt der andere Möglichkeiten. Der Markt ist in beständigem Wandel und im besten Fall treffen immer mehr Produkte auf immer mehr Konsumenten. Ungleichgewichte hierbei durch stärkere Regulierung – wie auch immer diese aussieht und von wem sie durchgesetzt wird – beseitigen zu wollen, ist langfristig kontraproduktiv und zumeist auch gar nicht vonnöten.