"Es ist sicher nicht so einfach einen Sexshop auf Island zu betreiben wie die Leute sich das vorstellen."

331.310 – das ist die aktuelle Einwohnerzahl von Island. Was das für den dortigen Erotikmarkt bedeutet, wollte eLine von Gerður Huld Arinbjarnardóttir wissen, die seit seit einigen Jahren mit ihrem Unternehmen Blush eine feste Größe im isländischen Erotikmarkt ist. Gerður ist mit Home Partys sowie einem Onlineshop aktiv. In einem Interview erzählt sie einiges Überraschendes und viel Wissenswertes über ihr Marktterritorium.
 


Gerdur, bevor wir über deine Heimat Island sprechen, kannst du uns vielleicht etwas über dich erzählen?
Gerður Arinbjarnardóttir: Ich bin eine 26 Jahre alte Mutter eines sechs Jahre alten Sohnes. Ich lebe in Kópavogur einem Stadteil der Hauptstadt Reykjavík.
Seit wann bist du im Erotikmarkt unterwegs?
Ich habe Blush 2011 gegründet. Ich war damals erst 21 Jahre alt und hatte keine Vorstellung davon, auf was ich mich da eingelassen hatte. Ich selber habe mein erstes Sex Toy in unserer ersten Bestellung bekommen, man kann also schon sagen, dass ich wirklich keine Vorstellung davon hatte, was ich da machte. Ich hatte die Idee gemeinsam mit meiner Freundin Rakel und im ersten Jahr waren wir die beiden gemeinsamen Besitzer von Blush. Dann habe ich es alleine übernommen und Rakel nahm eine spannende Arbeit beim isländischen Radio auf. Heute arbeitet sie für Blush in Teilzeit. Es ist unbezahlbar, seine beste Freundin hier bei sich zu haben und gleichzeitig jemanden, der das Geschäft kennt. Ich bekomme durch sie viel Feedback und ich fühle mich nicht so allein in meinem Geschäft. Ihre Unterstützung bedeutet mir sehr viel.
2_web
Warum hast du dir diesen Markt ausgesucht und was hast du vorher beruflich gemacht?
Ich würde sage, das hatte viel mit meiner besten Freundin zu tun. Sie hatte sich selber damals grade ein schönes Lelo Sex Toy gekauft und ich wollte auch eins. Damals gab es niemanden der Lelo auf Island verkauft hat. Ich stellte ein paar Nachforschungen an und merkte, dass es eine große Lücke auf dem Markt für Sex Toys in Island gab. Ich war jung und hatte keine Ahnung, worauf ich mich da einließ, als ich die Firma gründete aber es war eine angenehme Überraschung, herauszufinden, wie viel Spaß es macht und wie gut es zu mir passt.
Zuvor ging ich zur Schule, habe also davor noch kein Unternehmen geführt. Die letzten vier Jahre waren sehr lehrreich für mich. Ich habe das Glück, von Menschen umgeben zu sein, die mich unterstützen und nie mehr als nur einen Anruf entfernt sind, wenn ich Hilfe oder Informationen benötige. Vor zwei Jahren habe ich auf der eroFame meinen Lebensgefährten getroffen und er ist die erste Person an die ich mich wende, wenn ich Hilfe oder Unterstützung brauche.
Du bietest Erotikprodukte über die Vertriebswege E-Commerce und Homeparties an. Warum hast du dir diese Vertriebskanäle ausgesucht?
Als wir anfingen, wollten wir einzigartig sein und etwas anderes machen als die anderen Firmen auf Island. Wir haben uns dazu entschieden, kostenlose Homeparties anzubieten, weil das zuvor niemand machte. Heute konzentrieren wir uns viel auf den Webshop. Es scheint, als ob sich der Markt für Onlinekäufe in Island öffnet. Zuvoe reisten viele Menschen in andere Länder und kauften dort Sex Toys, weil der Preis hier in Island so viel höher war als in anderen europäischen Ländern. Jetzt kaufen die Leute lokaler ein, weil wir vergleichbare Preise bieten können.
Kannst du ein wenig über deine Konzepte und Strategien erzählen? Welche Philosophie verfolgst du bei deinen Tätigkeiten?
Von Anfang an hatten wir immer eine Person hinter dem Unternehmen, so dass die Kunden die Marke Blush mit einem Gesicht verbinden können. Das hat es zuvor in Island noch nicht gegeben. Ich weiß nicht warum, aber es scheint etwas zu sein, was die Leute wünschen. Sie wollen in der Lage sein zu sehen und zu wissen, wer der Eigentümer ist.
Ich mache viel PR, wie zum Beispiel Blogbeiträge verfassen oder Parties veranstalten und das neueste ist Snap Chat, wo 10.000 Follower mein tägliches Leben beobachten und sehen, was ich während der Arbeit mache. Ich nutze Snap Chat um den Menschen di eProdukte zu zeigen und sie können mir Feedback oder Fragen schicken, die ich beantworte. Das hilft viel bei den Online Verkäufen.
Wir bieten kostenlose Homeparties an und ich stelle sicher, dass die Mädchen, die für Blush arbeiten immer ein gewisses Maß an Wissen über Sex und Sex Toys haben. Wir hatten zum Beispiel Krankenschwestern und Sexologen die für Blush gearbeitet haben. Dass macht es lehrreicher und mehr Spaß für die Menschen die an den Homeparties teilnehmen und ich lerne auch viel von ihnen.
1_web
Woher beziehst du deine Produkte? Fühlst du dich ausreichend von deinen Lieferanten, Distributoren und Großhändlern unterstützt?
Ich kaufe meistens von Eropartner und Lelo. Ich hatte Glück bei Lelo mit ihnen eine fantastische Geschäftsbeziehung aufgebaut zu haben. 2013 hat mich Filip, der Gründer von Lelo, nach China eingeladen um die Fabrik zu besuchen und wie du dir vorstellen kannst, habe ich mich wie ein Kind im Süßwarengeschäft gefühlt. Lise, meine Kontakt Person bei Lelo, fragt sich immer noch , wie weniger als 330.000 Menschen mehr Vibratoren kaufen können, als Länder die einige Millionen Bürger beherbergen.
Nach welchen Kriterien suchst du deine Produkte für dein Geschäft aus?
Ich denke das ist offensichtlich. Man muss sie einfach ausprobieren! Es ist ein schwerer Job den ich da habe! Ich bitte auch Menschen in meinem Umfeld sie auszuprobieren und mir Feedback zu geben. Etwas worauf wir immer achten, ist, dass sie eine schöne Verpackung haben und dabei nicht zu vulgär sind. Wir verkaufen vor allem qualitativ hochwertige Marken.
Bist du die einzige Person, die auf Island Erotikprodukte verkauft oder hast auch du Konkurrenz?
Nein, ganz und gar nicht. Wir sind so viele hier, die sich über ein Stück vom Kuchen streiten. Es ist also wichtig hart zu arbeiten und sicher zu stellen, dass man immer auf der Höhe der Zeit bleibt. Ich habe das Gefühl, dass in etwa den letzten vier Jahren viele neue Gesichter mit Webseiten oder Onlineshops auf den Markt gekommen sind. Die denken sich, dass ist leicht verdientes oder schnell gemachtes Geld, aber das ist definitiv nicht so. Ich stehe nicht nur mit Isländern in Konkurrenz sondern auch mit all den anderen Onlineshops, die nach Island versenden.
3
Wie groß bzw. klein ist denn er Markt für Erotikprodukte auf Island?
Der Markt ist gut. Aber aufgrund der geringen Bevölkerung auf der Insel ist es schwer beispielsweise abenteuerlichere Sex Toys, wie BDSM Toys, anzubieten, da der Markt einfach zu klein ist.
Wie ist er strukturiert? Gibt es einen stationären Einzelhandel oder ist der E-Commerce die tragende Säule?
Ich glaube, dass Frauen gerne mit anderen Frauen einkaufen, so dass das Homeparty System recht gut für uns funktioniert. Online war in Island bis vor zwei Jahren noch nicht so groß, Wir waren da etwas spät dran. Aber jetzt begreifen die Leute wie einfach es ist online zu bestellen und nach Hause geliefert zu bekommen.
Ist die doch relativ kleine Zahl an Einwohnern (rund 330.000) das größte Problem für deine Tätigkeiten?
Ich sehe die Bevölkerung nicht als ein Problem. Ich sehe sie als eine Chance. Ein kleineres Land bedeutet, dass man versuchen muss bei jedem bekannt zu werden. Wenn man es schafft, dass die Leute einem vertrauen und sehen, dass dies ein echtes Unternehmen ist und nicht nur eine Eintagsfliege der niemand vertraut, werden die Leute immer wieder zu dir kommen und kaufen.
Wie ist es um das Konsumklima auf Island bestellt? Und wie haben sich die Wirtschafts- und Finanzkrisen der letzten Jahre auf Island ausgewirkt?
Ja, das war natürlich der Fall, aber jetzt nach acht Jahren denke ich sind wir wieder auf dem richtigen Weg. Ich habe nach der Krise angefangen, hatte also Glück nicht mittendrin gefangen gewesen zu sein. Aber in diesen vier Jahren gab es natürlich auch Hochs und Tiefs. Seit ich angefangen habe haben mindestens zwei Geschäft geschlossen und eine Menge Onlineshops hat es auch nicht geschafft. War dies wegen der Krise so? Das weiß ich nicht, aber es ist sicher nicht so einfach einen Sexshop auf Island zu betreiben wie die Leute sich das vorstellen.
Man sagt ja den Nordeuropäern bzw. Skandinaviern einen lockeren Umgang mit Themen wie Erotik, Sex, Pornographie usw. zu. Trifft das auch auf die Isländer zu?
Ja, auf jeden Fall. Gerade erst letzt Woche hat mich ein Rhea-Zentrum eines Krankenhauses kontaktiert. Sie wollten, dass ich Patienten die nach einer Krankheit oder aufgrund von Übergewicht Probleme beim Sex haben Sex Toys vorstelle. Das zeigt schon, zu welcher Offenheit wir uns entwickeln. Blush beginnt jetzt eine Partnerschaft mit ihnen und hoffentlich können wir bald auch auf andere Art und Weise auf Sex Toys schauen.
Was ist denn bei den Isländern angesagt? Nach welchen Produkten besteht die größte Nachfrage?
Ich würde sagen, dass der We Vibe 4 und der Ina 2 von Lelo derzeit die Bestseller sind. Der Fairy ist auch populär, ebenso andere Wand. Die Leute suchen insgesamt vermehrt nach schicken Marken und wertvollen Toys, die auch wiederaufladbar sind.
Was sind die bestimmenden Faktoren, wenn der Isländer Erotikprodukte kauft? Der Preis? Die Marke? Die Funktion? Die Qualität?
Die Marke und die Qualität sind am wichtigsten. Die Meisten Kunden haben keine Lust mehr auf Batterien, daher kaufen sie wiederaufladbare Produkte und Produkte, denen sie vertrauen, dass sie länger als drei Monate funktionieren.
5_web
Sind die Ansprüche deiner Kunden in den letzten Jahren gewachsen? Wie informiert bzw. uninformiert sind die Konsumenten, wenn es um Erotikprodukte geht?
Als ich angefangen habe war ich schockiert, wie offen die Kunden waren und wie viel sie wussten. Ich würde sagen, dass von zehn Frauen im Alter von 25 – 55 Jahren auf Island, sieben Sex Toys ausprobiert haben. Wenn wir auf Homeparties gehen, haben wir es die meiste Zeit mit sehr offenen Menschen zu tun, die sich darauf freuen, ihrer Sammlung etwas neues hinzuzufügen.
Meine Lieblingsgeschichte dreht sich dabei um eine 78 jährige Frau, die auf einem Junggesellinenabschied, den ich veranstaltet habe, war und die dort ihr erstes Toy gekauft hat. Sie meinte, es sei nie zu spät, um etwas Spass zu haben.
Gibt es auf Island die gleichen Trends wie anderswo in Europa? Steigt die Zahl der Frauen und Pärchen als Kunden im Erotikmarkt?
Ich ziele auf Paare und Frauen. Sie sind also mein größter Amrkt, aber wir öffnen ein neues Fenster und fangen an, mehr Toys für Männer zu importieren, weil ich das Gefühl habe, dass Männer immer offener werden, P-Toys oder Tengas auszuprobieren. Es gibt fast niemanden, der gute Markenware für Männer auf Island verkauft, weil es zuvor hierfür noch keinen Markt gegeben hat.
Wann sind überhaupt die ersten Erotikprodukte auf Island aufgetaucht?
Ufff… Ich habe keine Ahnung. Ich weiß, dass es Geschäfte auf Island gibt, die hier seit womöglich über 20 Jahren tätig sind. Es ist also nichts neues für uns.
Blickst du als Aktive im isländischen Erotikmarkt einer rosigen Zukunft entgegen?
Ja, das tue ich. Blush arbeitet hart und wir zielen darauf, weiterhin die Größten auf Island zu sein. Ich sage vorher, dass der Sex Toy Markt weiter expandieren und immer größer werden wird.

Dieses Interview wurde im eLINE Magazin Ausgabe 12 2015 veröffentlicht. Das eLINE Magazin ist für die Erotikbranche gratis erhältlich. Klicken Sie hier um die gedruckte Ausgabe zu bestellen.